Viele Länder stehen vor derselben Herausforderung: einem alternden Wohnungsbestand. Großwohnsiedlungen aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind oft technisch veraltet, energetisch ineffizient und müssen dringend renoviert werden.
Als das Architekturbüro Peeter Pere Architects in Tallinn (Estland) von einem Ingenieurbüro für einen Auftrag einer Wohnungsbaugesellschaft angesprochen wurde, um genau diese Probleme anzugehen, waren sie fasziniert. Könnten sie durch architektonisches Denken nicht nur die technischen Probleme lösen, sondern auch die räumliche Qualität und den Alltag verbessern?
Die Dringlichkeit und Relevanz dieser Frage spiegelt sich auch auf einer breiteren Ebene wider: Der diesjährige (2025) estnische Pavillon auf der Architekturbiennale in Venedig untersucht, wie die durch Klimaneutralitätsziele vorangetriebene Renovierungswelle über die Verbesserung der Energieeffizienz hinausgehen und zur Steigerung der sozialen und räumlichen Qualität in Wohngebieten beitragen kann.
Im Rahmen des Projekts wollten sie über oberflächliche Verbesserungen hinausgehen. Zunächst planten sie, für die Renovierung vorgefertigte Holzrahmenelemente zu verwenden. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, der Kohlenstoff speichert. Die Vorfertigung gewährleistet Präzision, verkürzt die Bauzeit, minimiert die Belästigung der Bewohner und liefert gleichbleibende Qualität. Die leichten Elemente sind ideal für die Nachrüstung von Strukturen mit begrenzter Tragfähigkeit. Die Lüftungskanäle für die neuen technischen Systeme mit Wärmerückgewinnung wurden direkt in diese Wandelemente integriert. Auf dem Dach des Gebäudes werden Sonnenkollektoren installiert.
Die Barrierefreiheit war eine große Herausforderung. Das fünfstöckige Gebäude ohne Aufzug und mit Keller schloss Menschen mit eingeschränkter Mobilität aus. Die Lösung bestand darin, das Treppenhaus komplett umzugestalten: Durch die Verlegung eines Teils davon an die Außenfassade und die Ausrichtung des Aufzugs auf ganze Stockwerke statt auf Zwischenpodeste wurde die Barrierefreiheit gewährleistet.
Die Finanzierung war aufgrund des kollektiven Eigentums und des Ausschlusses von bestimmten EU-Förderprogrammen komplex. Um die Kosten auszugleichen, schlugen sie vor, zwei neue Stockwerke mit Wohnungen hinzuzufügen. Diese wurden mit dem gleichen vorgefertigten Holzsystem gebaut und als lebendiges räumliches Raster gestaltet, mit versetzten Volumen, die sowohl zur Straße als auch zum Innenhof hin Terrassen bilden. Dies gab ihnen die Möglichkeit, nicht nur die Energieeffizienz des Gebäudes, sondern auch seine Identität innerhalb des städtischen Gefüges zu verändern.
Dieses Projekt bot den Architekten die seltene Gelegenheit, sich intensiv mit dem Massenwohnungsbau der Nachkriegszeit auseinanderzusetzen – einer Typologie, die weit von den üblichen kleinen Boutique-Projekten entfernt ist. Die Architektin Kirke Päss nahm am Energy Scouts-Programm teil und beschloss, ihr Wissen in diesem Projekt anzuwenden. Dadurch konnte sie Energie- und CO₂-Einsparungen besser verstehen und berechnen – Bereiche, die oft außerhalb des direkten Aufgabenbereichs von ArchitektInnen liegen.
Obwohl groß angelegte Renovierungen nach wie vor nicht zum Tagesgeschäft eines Architekturbüros gehören, gab dieses Projekt ihnen Einblicke in die Situation Tausender Bewohner solcher Gebäude – und zeigte ihnen, wie Design nicht nur die Effizienz, sondern auch die Lebensqualität im Alltag verbessern kann.
Photovoltaik
Wärmedämmung
Energiemanagement
- Branche: Architektur/Bauwesen
- Energiequelle: Fernwärme, elektrische Energie
- Einsparpotenzial: 134.75 MWh Elektrizität pro Jahr
- Einsparpotenzial CO2: 84,1 T CO2 pro Jahr
- Einsparpotenzial Kosten: 49.170 € pro Jahr
- Investitionskosten: 5.005.200 €
- Company:
Peeter Pere Architects
Tallinn
Estland
https://peeterpere.ee/en